Laufbericht: Badenmarathon (Halbmarathon) 2018

Passt der Trainingsplan für den Badenmarathon?

Die entscheidende Frage heute: “Passt die Zielzeit zum Trainingsplan?” Und die zweite, vielleicht viel wichtigere Frage: “Schaffe ich es beim Badenmarathon überhaupt ins Ziel?”

12 Wochen Vorbereitung liegen hinter mir, und am Tag vor meinem ersten offiziellen Halbmarathon machen sich erste Zweifel breit. Habe ich hart genug trainiert? Schaffe ich den Lauf in der geplanten Zielzeit von weniger als 2:15 h? Habe ich mich richtig ernährt? Was mache ich, wenn ich einbreche? Lauter Fragen, von denen ich glaubte, dass sie aufgrund meiner disziplinierten Vorbereitung erst gar nicht auftauchen würden. Trotzdem schleichen sich die Zweifel ein – je näher der Tag kommt.

Irgendwann gebe ich mich meinem Schicksal hin und hoffe einfach auf kühleres Wetter, nachdem ich oft genug in der sommerlichen Gluthitze meine Einheiten “durchgezogen” habe.

Samstag: Startunterlagen abholen und Maultaschenparty

Um mich schon einmal ein bißchen zu orientieren, fahre ich am Vortag zum Ort des Geschehens und hole meine Startunterlagen in der Europahalle ab. Da die Halle nicht mehr den aktuellen Brandschutzbestimmungen entspricht, darf sich nur eine begrenzte Anzahl an Menschen gleichzeitig dort aufhalten. Kontrolliert wird das mit einem Plastikchip, den jeder, der die Halle betritt in die Hand gedrückt bekommt und beim Verlassen wieder abgeben muss. Können keine Chips mehr ausgegeben werden, muss gewartet werden. Heute am Samstagnachmittag geht alles gechillt zu. Wenn aber am Sonntag über 4.000 Halbmarathonis und mehr als 1.000 Marathonläufer quasi gleichzeitig ihre Startunterlagen abholen wollen, wird es eng in der Butze. Das gleiche gilt für die aufgestellten Toilettenhäuschen, wo man heute noch die Qual der Wahl hat und sich die schönste Kabine für sein Geschäft aussuchen kann. Einigermaßen gesittet geht es auch beim “Maultaschenfassen” zu. Zum kostenlosen Kartoffelsalat gesellen sich drei kleine BÜRGER-Maultaschen auf dem umweltfreundlichen Holztellerchen. Obwohl in mehreren Varianten im Angebot (Fleisch / vegetarisch) geht der Kantinenmann hinter dem Tresen grundsätzlich davon aus, dass alle Läuferinnen und Läufern FLEISCH wollen. So fragt er gar nicht mehr, sondern schöpft unermüdlich aus dem gleichen Pott nicht weniger – aber auch nicht mehr – als 3 Teigtäschchen mit den begleitenden Worten “Fleisch. Gell?” Ja, bei mir paßt´s schon.

Sonntag: Szenenwechsel

Wird zeitlich schon reichen, denke ich, als ich um ca. 09:10 Uhr die Szenerie von gestern wieder betrete. Der Startschuß soll um 09:30 Uhr erfolgen. Die Schlange der Menschen, die in der Europahalle nur ihr Gepäck abgeben wollen, ist endlos. Der Kaffee treibt und ich reihe mich irgendwo kurz vor der Tür – aber nicht so, dass es wie Drängeln aussieht – geschmeidig in die Reihe ein. Hinten anstellen ging aus zwei Gründen heute ausnahmsweise nicht

1. wäre mir zwischenzeitlich die Blase explodiert und
2. wäre sie mir nicht explodiert, hätte ich spätestens vor einem der vielen Klohäuschen jemanden umbringen müssen, um rechtzeitig -und entspannt gleichermaßen- ins Rennen starten zu können

So stehe ich keine zwei Minuten später – dieses Mal ordnungsgemäß eingereiht – hinter meinen Mitstreitern und tippele mich nervös immer weiter nach vorne, bis ich endlich Erlösung finde. Als ich schließlich so alleine in der blau schimmernden Zelle sitze, schweift mein -zwischenzeitlich gelöster- Blick auf  meine Uhr. 09:28 Uhr. Waaas? Da hat mich die Nervosität schlagartig wieder und schnurstracks laufe ich – nicht ohne mich davon zu überzeugen, dass alles wieder da sitzt, wo es sitzen soll – zu den anderen füntausendirgendwas Marathonis und stelle mich irgendwo zwischen Block C und D einfach in die Menge. Zwischendurch verdrücke ich noch schnell eine Banane. Habe gehört, das soll so. Meinetwegen kann´s jetzt los gehen.

Startverschiebung auf der Schnellstraße zur Hölle

Leider wird aus dem 9 Uhr 30 -Start nichts, da noch immer viele Teilnehmer in einer der beiden Endlosschlangen vor der Halle und/oder vor oder vielleicht auch IN der Toilettenkabine feststecken. Es gibt noch 5 Minuten Nervosität oben drauf. Ich bereite schon mal die Musik auf meinem Smartphone vor, die mich zumindest auf den ersten Kilometern begleiten soll. Während beim Startschuss aus den Lautsprecherboxen “Highway to Hell” von AC/DC dröhnt, was ich besser nicht als böses Omen verstanden haben will, starte ich in meinem Kopfhörern meine Musik vom Luther-Pop-Oratorium. OK. Kontrastprogramm, denke ich. Doch der aufgepeitschte Läufermob grölt laut den Refrain “I´m on the Hiiiiighway to Hell, Hiiiiighway to Hell”, der für den einen oder anderen wohl bald unerwartet Wirklichkeit werden wird.  Also rein ins Vergnügen und ab auf die Strecke. Doch es dauert noch weitere lange sechs Minuten, bevor ich endlich die rote Zeitmessmatte überschreite, mehr Bewegungsfreiheit gewinne und die sogenannten Nettozeit – sozusagen zeitgleich mit mir – zu laufen beginnt.

Langsamkeit ist Trumpf – jedenfalls zu Beginn

Nicht so schnell, nicht so schnell. Im Überschwang der Gefühle und auch, um das ins Körper geschossene Adrenalin schnell wieder loszuwerden, ist der Drang einfach zu groß, gleich mit Tempo auf die Strecke zu gehen. Ich zwinge mich also, langsamer zu laufen, auch wenn ich – gefühlt – immer weiter zurück falle. Dabei vergesse ich, dass wir ja nicht alle zeitgleich die Matte überschritten haben. Damit ist das, was tatsächlich auf der Strecke passiert, kein Spiegelbild eines tatsächlichen Rankings. Dennoch benehmen sich viele so und meinen, wenn sie einen mehr überholt haben, stehen sie am Ende auf der Ergebnisliste weiter oben. Das mag für die ersten Kilometer vielleicht stimmen, aber hey, 21 Kilometer können verdammt lang sein. Irgendwann verläuft sich das Feld.

Läuft bei mir

Nach einer halben Stunde habe ich in etwa meinen Laufrhythmus gefunden und genieße die tolle Strecke auf der breiten Strasse, auf der ich wochentags so oft im nervtötenden Stop-and-Go-Verkehr unterwegs bin. Ich fühle mich gut und könnte durchaus mehr auf die Tube drücken. Aber sechs Kilometer sind deutlich weniger als die Hälfte. Also lass ich das schön bleiben. Sofern ich mich bei Kilometer 10,54 noch genauso fit fühle, kann ich das Tempo ja immer noch anziehen – testweise. Also trabe ich weiter. Bei jedem Kilometer lasse ich mir die aktuelle Pace und die durchschnittliche Pace ansagen und liege voll im Plan, besser: ich liege mehr als nur im Plan und freue mich auf eine unglaubliche Bestzeit, die deutlich unter der liegen sollte, für die ich trainiert hatte. Ich muss das Tempo also gar nicht erhöhen und plane, meinen Rhythmus einfach beizubehalten. Die Begeisterung der Zuschauer und der Aktionismus am Streckenrand motiviert und setzt weiter Kräfte frei. Trommelmusik, Tanzeinlagen und Akrobatik wechseln sich ab, während andere einfach nur klatschen und uns kräftig anfeuern. Läuft bei mir!

Liquid-Energy-Gel und die Folgen

Mir war bewusst, dass die angefutterten Kohlenhydrate von gestern in meinem Körper für einen Lauf dieser Länge nicht ausreichen würden. Da hätten drei Maultaschen mehr gestern wahrscheinlich auch nix genutzt. Auch nicht die mit Fleisch, gell?  Ich musste also so oder so Energie “zufüttern”, wenn ich weiterhin mein Tempo halten und mein gestecktes Ziel erreichen will. Bei der Hälfte der Strecke packt  mich der Ehrgeiz. Jetzt soll es nicht mehr ums reine “Finishen” gehen, sondern darum, in einer deutlich besseren Zeit durchs Ziel zu kommen als eigentlich geplant. Es geschieht zwischen Kilometer 13 und 14 als ich merke, dass meine durchschnittliche Pace signifikant in den Keller geht. Noch ist alles top. Und auch, wenn ich jetzt etwas langsamer werde, kann ich noch ein gutes Ergebnis erreichen. Zeit für mein Energie-Gel. Auf der Strecke liegen jetzt schon viele solcher leergedrückten Gelverpackungen in der Gegend herum. Wie weit manche ihren Dreck von sich werfen können? Erstaunlich! Ok, scheint wohl auch für andere Läufer ein kritischer Moment zu sein. Also rein mit dem Zeug. Schmeckt nicht wirklich gut, aber die auf 60 Milliliter komprimierten Kohlenhydrate müssen für die restlichen 6 Kilometer reichen. Was habe ich nicht alles über die Energiewunder gelesen. Rezensenten solcher Käufe sprechen von Energieschüben, die sie quasi auf Sieben-Meilen-Stiefeln ins Ziel getragen haben. Andere vergleichen die Energie mit einer Rakete auf deren Rücken sie wie von selbst durchs Ziel geschossen sind. Für wieder andere glich die Zufuhr des Gels einer Offenbarung, die sie plötzlich neu beflügelte. In Erwartung großer Dinge laufe ich einfach nur weiter und schütte mir an der nächsten Verpflegungsstation einen Becher ISO-Drink in den Hals, um den Geschmack des Liquid-Gels etwas zu neutralisieren. Im Eifer des Gefechts landet das Gesöff mehr im Gesicht als im Mund. Jetzt kann sich auch meine Gesichtshaut an den Isotonen erholen.

Es passiert wenig bis nichts

Zugegeben, ein paar Minuten später habe ich etwas mehr Luft und nutze den Energieschub, um wieder meine “alte” Form zu finden. Der vermeintliche Schub entpuppt sich schließlich nur als lasches Energieschübchen. Denn weitere zehn Minuten später ist schon wieder Schluß mit der  Energie. Schließlich packe ich bei Kilometer 15 noch ein halbes Plättchen Traubenzucker mit Geschmacksrichtung Magnesium quer in die Backen und hoffe, so noch etwas mehr Energie in meine Muskeln zu saugen. Kurz darauf hat sich nicht nur der Traubenzucker in Nichts aufgelöst sondern auch meine erhoffte Zielzeit. Immerhin liege ich jetzt GENAU im Plan. Ich rechne mir im Kopf schon aus, wie langsam ich noch werden darf, um immer noch im Rahmen meiner trainierten Zeit ins Ziel zu kommen. Passt noch alles. Kilometer 18 hält noch eine Unterführung mit fieser Steigung parat. Ich werde immer langsamer. Jetzt zwickt auch noch die Wade. Doch die wird, nein MUSS einfach halten. Zwei Kilometer vor dem Ziel motivieren viele Zuschauer mit ihren Anfeuerungsrufen meine letzten Reserven. Zur Melodie von Roland Kaisers “Santa Maria” singt eine Gruppe Zuschauer “Zwei Kilometer, es sind nur noch zwei Kilometer”. Scheiße, ist es nicht doch nur noch ein Kilometer gewesen? Falsch gedacht. Egal. Jetzt gib alles, sage ich zu mir. Und tatsächlich schaffe ich es bis zum Zieleinlauf fast wieder auf meine Anfangsgeschwindigkeit.

Die letzten Meter in den “Läuferhimmel”

Nein, nicht mit letzter Kraft sondern mit der unbändigen Energie der Freude und des Stolzes gehe ich auf die letzten Meter und komme glücklich und vor allen Dingen verletzungsfrei im Ziel an. Die Wade hat gehalten. Und was ist nun meine Nettozeit? Erst mal egal. Ich brauche etwas zu trinken und zu essen. Außerdem muss ich mich dringend setzen. Statt “Highway to Hell” jetzt in den “Runner´s Heaven”, in dem es an nichts mangelt:

Verpflegung im “Runner´s Heaven”

  • 13.500 Flaschen Bier – natürlich alkoholfrei und nochmal so viele Flaschen mit anderen Drinks.
  • 5.000 Bananen, wovon ich mindestens drei gegessen habe
  • 5.000 Äpfel
  • 7.500 Einbackbrötchen
  • 7.500 Laugen-Party-Brötchen
  • 1.500 Vollkornscheiben mit Guacamole-Aufstrich

Gut gestärkt genieße ich jetzt einfach die Atmosphäre, entspanne mich und feuere meinerseits im Zielbereich die ankommenden Läufer an.  Währenddessen vibriert mein Handy. Auf WhatsApp finde ich meine Netto-Zielzeit. Wie jetzt? Noch bevor ich mich selbst darum kümmern muss, wird mir meine Zeit von meiner mitfiebernden Verwandtschaft aufs Handy gepostet. Hey, das nenne ich prompt. Im Internet können Zwischenzeiten und Zielzeiten live eingesehen werden. Technik, die begeistert! Mit meiner Finishermedaille um den Hals, mache ich mich langsam auf den Heimweg und freue mich auf ein deftiges Mittagessen im Oktoberfestzelt, das an diesem Wochenende in unserer Gemeinde über die Bühne geht.

Half der Trainingsplan, die gesteckten Ziele zu erreichen?

Ganz klares JA! Der Trainingsplan war auf eine Zielzeit von < 2:15 h ausgelegt. Meine persönliche Zielzeit war: 02:13:29. So gesehen hat alles wunderbar gepasst. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Auch wenn es “nur” ein Halbmarathon war. Der Aufwand und die Strecke ist nicht zu unterschätzen. Ganz ohne Training und Vorbereitung kann ich so ein Projekt nicht empfehlen.

Jetzt der Marathon?

Ich denke im Nachhinein, dass ich vor dem ganzen Marathon noch mehr Erfahrung benötige. Dazu werde ich bestimmt noch einmal auf die 21,09 km gehen müssen – sozusagen als Vorbereitung auf das “ganz große Ding”. Jetzt aber erst mal regenerieren. Doch irgendwie juckt es schon wieder…

Bleibt motiviert und vor allen Dingen gesund!

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Danke an die Organisatoren des Badenmarathon und den tollen Film, den Ihr für jeden einzelnen Läufer erstellt habt!
Klickt einfach auf das Video, um meinen Lauf zu sehen:


Fotos: Daniel Bär ©


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2 Kommentare zu “Laufbericht: Badenmarathon (Halbmarathon) 2018”

  1. Hi Daniel, Glückwunsch zu deinem ersten erfolgreichen Halbmarathon. Ich habe deine Vorbereitung mit Freude miterlebt und habe mich an meine Trainingszeit erinnert, als ich dann mit Andrea mehrere Halbmarathons gelaufen bin. Es juckt schon wieder ein bisschen, das zu wiederholen, vor allem die Läufe in anderen Städten, wie Berlin, Köln oder am Bodensee waren unvergessliche Momente. Woher hattest Du den Plan? Aus dem Internet?
    Liebe Grüße Andreas

  2. Hi Andreas, danke für die Glückwünsche. Ja, es war schon etwas Besonderes, gezielt nach einem Plan zu trainieren. Im Nachhinein weiß ich nicht, ob der Plan nicht doch etwas zu konservativ war, da ich ja prinzipiell fit war. Immerhin hat es zeitlich genau gepasst. Ich schaue schon wieder, wo ich den nächsten HM laufen will 😉 Den Plan hatte ich aus dem Internet. Hier kannst Du ihn finden:

    https://www.runnersworld.de/trainingsplan/trainingsplan-halbmarathon-unter-2-15-stunden.262688.htm

    Liebe Grüße Daniel

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