Was taugen die billigen Fitnesstracker aus China wirklich?

Schön billig




Ich gebe ja gerne auch ungefragt meinen Senf dazu. Heute ist es wieder so weit.  Dieses Mal bin ich dafür keine Kooperation eingegangen. Deswegen muss ich auch nichts schön reden oder bin gezwungen, Do-Follow-Links zu setzen. Den bestellten Fitnesstracker durfte ich sogar behalten, schließlich habe ich ihn ordnungsgemäß bezahlt.

Wish.com

Wer auf Wish.com stöbert, dem fallen schnell die unglaublichen Niedrigpreise für scheinbar hochwertige Technik auf. Die Ware kommt überwiegend aus China. Wem es mit dem Versand nicht pressiert und wem die deutsche Zollgesetzgebung mehr Empfehlung denn Verpflichtung ist, lässt sich auf das Abenteuer gerne ein. Bei einem Warenwert von € 8.55 wird mir der Zoll wohl nicht mit einer Haussuchung kommen, und in der Tat ist bis heute auch noch nichts dergleichen passiert.

Das Angebot

Pulsmesser im Fitnessarmband kann jeder, dachte ich, aber den Sauerstoffgehalt aus dem Blut lesen und dabei noch den Blutdruck messen? Das hat mich überzeugt. Und € 8,55 würde ich dafür gerne investieren. Wer sich jetzt über den Preis von € 10,00 wundert, dem sei der Hinweis gegeben, dass die Angebote kurzfristig stark schwanken. Innerhalb von Sekunden bekommt Ihr für denselben Artikel unterschiedliche Preise angezeigt. Sei´s drum. Die Zahlung erfolgt per Rechnung über den Zahlungsanbieter KLARNA. Korrekt wie ich bin, habe ich die Rechnung natürlich sofort bezahlt, um den Spannungsbogen bis zum finalen Eintreffen weiter zu vergrößern. Vielleicht lässt sich der Versand dadurch sogar  beschleunigen? Kommt die Ware nicht, weiß ich, was ich von Wish.com zu halten habe. Damit wäre das Thema ein für allemal erledigt gewesen, auch wenn Millionen anderer Käufer bei den Shop-Bewertungen Begeisterung heucheln.

Die Auslieferung

Tatsächlich kam der Fitnesstracker eine Woche vor dem angegebenen Liefertermin an. Das Päckchen kam ganz klar aus dem fernen China. Die Absenderangaben in chinesischen Schriftzeichen waren Beleg genug. Neben meiner Lieferadresse stand sogar meine Handynummer, falls das Päckchen unterwegs falsch abgebogene wäre – oder für die Zollfahndung.

Die Verpackung

Wäre die Ware aus Japan gekommen, hätte ich bei der Verpackung auf Luftfolien-Origami getippt. Vakuumverpackt. Tatsächlich verzichtet der Händler auf eine werbewirksame High-End-Verpackung und liefert das Produkt sicher verpackt in gut komprimierter Luftfolie aus. Dadurch geht zwar beim Auspacken das gewisse “Feeling” verloren, das einem beim Öffnen von Verpackungen hochwertiger Technik oft wie ein kleiner Schauer über den Rücken läuft, aber – hey: € 8.55 – schon vergessen?

Die Ware

Geliefert wurde der Fitness-Tracker, ein USB-Ladekabel und eine Origami-Kurzanleitung in chinesischer und englischer Sprache. Die Schrift war so klein, dass selbst mit Lesebrille UND gutem Willen kaum etwas zu entziffern war.

Inbetriebnahme

Als erstes versuchte ich herauszufinden, wie der Tracker mit meinem Smartphone zu koppeln ist. Die Kurzanleitung verweist per QR-Code auf die App “JYou”, die installiert werden sollte. Tatsächlich lässt sich dann das Fitness-Armband mittels Blutooth mit dem Smartphone koppeln. Aufgezeichnet werden Schritte, Entfernung, Kalorien, Schlaf und Herzfrequenz. Wahlweise lassen sich Zielschritte, Bewegungs- und Trinkerinnerungen und Weckzeiten einstellen. Die Signalisierung erfolgt per kraftvoller Vibration.

Account einrichten

Damit die Daten nicht verloren gehen, muss ein Benutzerkonto angelegt werden. Hierfür wird die Emailadresse, ein Benutzername und ein Passwort benötigt. Eine Verifizierung der Mailadresse findet merkwürdigerweise nicht statt. Es bleibt rätselhaft, in welchen Tiefen des Netzes dieser Account gespeichert wird. Bis heute ist es mir nicht gelungen, die App davon zu überzeugen, dass ich “männlich” bin. Während die Angaben zu Alter, Größe und Gewicht übernommen wurden, setzt die App mein Geschlecht jedes Mal auf “weiblich” zurück. Vielleicht werden solche Tracker in China ausschließlich von Frauen getragen?

Funktionalität

Per Fingertipp wechselt man am Armband in die Punkte Uhrzeit, Datum (engl.), Schritte, Kalorien, Entfernung, Schlaf, Quadrat (?), Puls. Eine Logik lässt sich aus den Aufzeichnungen nicht erkennen. Außer der Uhrzeit, dem Datum und der stündlichen Pulsmessung lässt sich kein Wert nachvollziehen. Die Softwarefunktionalität ist unterirdisch und dazu noch schlecht übersetzt. Über die Softwareienstellungen lässt sich z. B. ein “Selbst Bild aufnehmen”. Dabei startet die Kamera. Eine Auslösefunktion sucht man am Fitnessarmband vergeblich. Immerhin signalisiert der Tracker zuverlässig eingehende Anrufe und Messengernachrichten (Facebook / WhatsApp). Den Tracker über eine andere App mit dem Smartphone zu koppeln, scheitert schlichtweg an der Hardware, die mit den gängigen iOS oder Android-Programmen nicht kompatibel ist. Als Fitnesstracker ist das Armband gänzlich ungeeignet.

 

Blutsauerstoff- und Blutdruckmesser ?

? Hey: € 8.55 – schon vergessen?

Verarbeitung und Optik

Abgesehen davon, dass die Displayanzeige des beworbenen Trackers von der des gelieferten Armbands abweicht (s. o.), ist die Verarbeitung und Qualität der Materialien in Ordnung. Optisch ist der Fitnesstracker ansprechend. Das sind aber auch alle Vorzüge der billigen Chinaware.

Fazit

Die bei Wish.com beworbene Ware entspricht in diesem Fall nicht im Geringsten dem, was mir aus dem Land des Lächelns geliefert wurde. Im fernen Osten wird aus dem Lächeln derweil ein feixes Lachen angesichts der naiven Dummheit geizgeiler Deutscher – mich eingeschlossen, die tatsächlich geglaubt haben, für € 8.55 das Schnäppchen des Jahrhunderts zu machen. Ich werde das Teil in jedem Fall behalten, sozusagen als Anschauungsobjekt chinesischen Elektronikramsches. Äußerlich sieht man dem Tracker seinen Schrottwert nicht an. So gesehen geht es mit dem Preis schon wieder in Ordnung: Digitale Uhr mit Datumsanzeige und ein paar Spielereien für nur € 8.55.


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Screenshots: www.wish.com / Fotos: Daniel Bär



4 Kommentare zu “Was taugen die billigen Fitnesstracker aus China wirklich?”

  1. Die Handynummer neben der Adresse ist in China obligatorisch. Damit informiert der Paketzusteller den Empfänger telefonisch über die bevorstehende Lieferung seines Paketes. Man kann dann ausmachen, wann und wo die Übergabe erfolgen soll. Wie ich finde, ein super Service.

  2. Moin, hab eine ganz andere Erfahrung gemacht. Mein Tracker sollte die oben genannten Funktionen auch besitzen und…besitzt sie auch. Die Software ist offensichtlich eine andere auf verständlichem Deutsch. Das gute Stück kostete inkl. Versand jedoch schon 20,50€. Mein Fazit, absolut empfehlenswert. Bei wish.com ist etwas Glück halt auch dabei.

  3. Abgesehen von den ganzen Tinnef der in China zu Dumping Preisen zu 100.000tausendfach produziert wird um dann wieder geschreddert zu werden(geniale Art und Weise zum Beitrag des Umwelt und Resoursenschutz) geht es mitteilen noch cleverer…sei es drum…man kauft auf einer Internetseite, die sich auf den Ersten Blick wie ein deutscher Händler präsentiert, vermeintlich ein Schnäppchen(wenn man bei20€ Erspartes, vom Schnäppchen reden kann…man bezahlt gern mit diesem Ominösen PP.und nach Wochen des Wartens ist das Päckle da..packt es aus und fragt sich….WtF??Kabellose Ohrhörer aus dem Hause Apfel bestellt..130Europa bezahlt und erhält eine SofortBild Kamera?@?!…jetzt erst wird die “Kundenfreundlichkeit und Kommunikation auf den verwöhnten Deutschen Prüfstand gestellt…und ab hier wird es ddnn lustig….jedenfalls muss man auf eigene Kosten das falsch gelieferte Produkt zurück schicken um eine Sendungsverfolgung für PP zu haben, kostet dies 49,-€ !!!ha! 49,-€ die man Verlust macht, weil man zu geil auf Geiz ist…
    Immer das Kleingedruckte lesen…meine Empfehlung an jeden der im Land des Lachens(über unsere Blödheit und Geizmentalität) bestellt und hofft…

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