Rückfallträume – wie beim Rauchen
Ex-Raucher wie ich kennen das vielleicht: nach einer gewissen Zeit der Abstinenz kommt es vor, dass dich im Traum die alte Sucht überkommt und du morgens erschrocken – und gleichzeitig erleichtert – aufwachst, weil du dir mal wieder eine oder gleich mehrere Zigaretten reingezogen hast. Dafür gibt es mittlerweile einen englischen Fachterminus: „Dream of Absent-Minded Transgression“, was frei übersetzt so viel heißt wie: „Träume abwesender Überschreitungen“. In einer (englischsprachigen) Studie wird das Phänomen sogar […] prospektiv positiv mit der Aufrechterhaltung der Abstinenz verbunden. […] Die unfreiwillige Laufpause verfolgte mich ebenfalls bis in meine Träume. Dabei wünschte ich doch gar keine Abstinenz?
Alle Ziele dahin?
Jetzt sind 18 Tage Zwangspause für die Dauerverletzungsgeplagten unter uns lächerlich wenig. Und viele wäre froh, sie könnten nach vier oder fünf Wochen Verletzungspause wieder die Schuhe schnüren. Ich will damit sagen, dass die jähe – wenn auch nur kurze – Unterbrechung der Regelmäßigkeit deutlich stärkere Auswirkungen hatte, als ich gedacht hatte. Nicht nur, dass meine allgemeine Laune darunter litt. Nein, sie wurde immer schlechter. Zwischenzeitlich sah ich meine bis dato erlaufene Fitness genauso verloren, wie meine aktuellen Wettkampfpläne. Vom Hockenheimringlauf am 01.11. habe ich mich schon wieder abgemeldet. Mein nächstes Etappenziel im März 2019,den Halbmarathon in Frankfurt, sah ich ebenfalls in Gefahr. Die aufkommenden Rückfallträume trafen mich tief. Danach machte sich schon fast so etwas wie eine schwere depressive Verstimmung in mir breit. Das waren alles keine guten Voraussetzungen für einen Neustart.
Wer hat Schuld an der Verletzung?
Keine Frage: getragen von Allmachtsgefühlen nach dem Halbmarathonfinish lag die Schuld in erster Linie bei mir selbst. Die Überlastung im Knie wäre zu verhindern gewesen, wenn ich mir genügend Zeit für die Regeneration genommen hätte. Nach zwei Tagen Pause wieder zu starten, war einfach verkehrt. Damit war diese Frage für mich grundsätzlich geklärt. Ich musste wieder nach vorne schauen.
Wann kann ich wieder starten?
Die Schmerzen begleiteten mich jetzt auch im Alltag. Selbst das Stehen wurde bereits nach kurzer Zeit zur Qual. Mittlerweile konnte ich den Schmerzpunkt klar lokalisieren. Es waren die Bänder an Innnenseite des Knies. Das gefürchtete Patellaspitzensyndrom war es zum Glück nicht. Das hätte mich wahrscheinlich zu einer noch längeren Pause gezwungen. Ich ergab mich einfach der Tatsache, dass es eben jetzt so ist wie es ist und entlastete das Kniegelenk so gut es eben ging. Frei nach dem Motto: „Jammern hilft nicht weiter!“ Meine größte Schwäche wurde jetzt herausgefordert: fehlende Geduld. Die wichtigste Frage war jetzt: Was kann ich tun, um möglichst bald wieder starten zu können?
Was bringt kinesiologisches Tapen?
Unterstützend verwendete ich die ersten Tage Arnika und gelegentlich auch Diclofenac, um Entzündungen vorzubeugen. Die Salben halfen – wenn überhaupt – nur bedingt. Mit Schonung war mir mehr geholfen als mit Medikamenten. Dann stieß ich auf das Thema „Kinesiologisches Tapen“. Auch wenn es darüber unterschiedliche Meinungen gibt, dachte ich, dass es einen Versuch wert sein könnte und probierte es einfach aus. Dabei habe ich mich streng an die Anleitung eines Tapeherstellers gehalten. Dabei will ich ausdrücklich betonen, dass ich keine Werbung für ein bestimmtes Tape machen möchte. Ich selbst habe auch das Tape eines anderen Herstellers verwendet. Die Anleitung war dennoch sehr hilfreich und vor allen Dingen im Ergebnis erfolgreich. Der Belastungsschmerz war deutlich weniger spürbar. Es sind damit zwar keine Wunder zu erwarten, aber es ergab sich eine ganz klare Verbesserung der Schmerzsituation.
Noch mehr Geduld
Trotz Tapings war ans Laufen noch nicht wieder zu denken. Nach drei Tagen habe ich das Tape wieder entfernt, da es mit der Zeit störte und auch unangenehm zu tragen war. Außerdem war es tatsächlich besser geworden. Noch ein kleiner Tipp für die Männer: rasiert die Flächen, an denen Ihr das Tape anbringen wollt, vorher gründlich kahl. Das erhöht nicht nur den Tragekomfort, sondern lindert auch später die Schmerzen beim Entfernen des Tapes. Wer ansonsten auf Waxing steht… 😉
Langsamer Laufeinstieg
Ein bißchen sollte es noch dauern, bis ich zaghaft wieder meinen ersten Lauf starten konnte. Am vergangenen Sonntag war es dann endlich soweit. Die Schmerzen waren jetzt innerhalb von wenigen Tagen buchstäblich wie weggeblasen. Früher als gedacht und geplant, wagte ich mich wieder in meine Laufschuhe und nahm mir als erstes 5 langsame Kilometer vor, die ich tatsächlich schmerzfrei überstand.
Laufstiländerung
Mir war allerdings auch klar geworden, dass ich auf Dauer meinen Laufstil ändern muss, wenn ich mich zukünftig auf längere Strecken vorbereiten möchte. Es ist nicht zu übersehen, dass ich primär Fersenläufer bin, was vermutlich mit zur Verletzung beigetragen hat. Auch wenn es nach Meinung vieler Experten generell unproblematisch ist, Fersenläufer zu sein, habe ich für mich entschieden, an meinem Laufstil etwas zu ändern.
Mittelfuß-Lauftechnik
Nach mehr als zwei Jahren Fersenlauf wird es bestimmt nicht einfach werden, mich umzustellen. Dennoch denke ich, dass es jetzt, wo ich mir eine gewisse Grundlage erlaufen habe, an der Zeit ist, mich auch damit näher zu beschäftigen. Ansonsten könnte es für mich schwierig werden, höher gesteckte Ziele auch weiterhin verletzungsfrei zu erreichen.
Lausftiländerung ist Kopfsache
Es erfordert schon eine gewisse Konzentration, seinen Laufstil zu ändern. Und es wird noch sehr viele Läufe geben müssen, bis ich den Mittelfußlauf verinnerlicht habe. Es gelang mir auf Anhieb immer nur phasenweise, auf dem Mittelfuß zu landen. Immer wieder musste ich mich auf Anfersen konzentrieren. Schnell bin ich wieder in mein altes Laufmuster gefallen. Man merkt das erst gar nicht. Außerdem kommt dazu, dass der Mittelfußlauf muskulär anstrengender ist, was es noch schwieriger macht, sich darauf einzulassen. Nach diesem zweiten Lauf habe ich jetzt zwar keine Schmerzen mehr in meinem Knie, dafür haben sich meine Wadenmuskeln zurückgemeldet und signalisiert, es nicht gleich wieder zu übertreiben 🙂
Fotos: Wolfgang Nass / www.pexels.com
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