Ausgebucht
Mit mehr als 6.000 Anmeldungen war die „Badische Meile“ restlos ausgebucht. Auch das war ein Grund, die Startnummern schon am Samstagnachmittag abzuholen, um mich entspannt in die Startaufstellung einreihen zu können. Schließlich war es meine erste Teilnahme an der „Badischen Meile“, und ich wollte kein Risiko eingehen.
Morgen geht´s los. Schnell noch Kohlehydrate auffüllen 🙂
[notification type=“info“]Die Badische Meile ist ein historisches Längenmaß. Bis 1819 bestimmte der „Königliche Fuß“ wie das Volk in Baden Entfernungen zu berechnen hatte. Acht Kilometer, 888 Meter und 89 Zentimeter legte Markgraf Carl Friedrich anno dazumal mit seinem Gefolge in zwei Wegstunden durch den Hardtwald zurück und definierte somit die längste Landmeile Deutschlands. Mit Einführung des Metersystems ging die Umrechnung des alten Maßes nicht ganz auf, so dass die „krumme Zahl“ von 8,88889 Kilometer als Badische Meile festgelegt wurde. Quelle: http://badischemeile.de/ [/notification]Ausgesperrt
Unglücklicherweise begann unsere Abfahrt damit, dass wir uns aus unserem eigenen Häuschen ausgeperrt hatten. Keiner der fünf Mitfahrer hatte daran gedacht, einen Schlüssel mitzunehmen. Als unsere Kleinste gedankenverloren die Haustüre hinter sich ins Schloß fallen ließ, waren alle anderen damit beschäftigt , den Zeitplan einzuhalten. Gott sei Dank war unser kleiner Dackelmix „Amy“ auch schon nach draußen gestürmt. Kaum vorstellbar, dass sie uns von innen die Tür geöffnet hätte und stattdessen wohl im Dreieck hinter der Hausflurscheibe gehüpft wäre angesichts dieses Schlamassels. Es nutzte alles nichts. Wir mussten uns auf den Weg machen. Entsprechend gut war die Stimmung auf der Fahrt. Immerhin war der Autoschlüssel da. Es kommt also immer auf die Betrachtungsweise an. Wir einigten uns schließlich darauf, dass wir später noch Zeit genug haben würden, um über die Lösung des Problems nachzudenken.
Angekommen
Am Zielort angekommen, hatten wir noch etwa eine halbe Stunde, um uns rund um das Starttor zu positionieren. Die Bedingungen waren optimal. Der Himmel erstrahlte an diesem Sonntagmorgen im schönsten Blau und die Sonne lachte. Dazu ging ein leichter kühler Morgenwind. Das waren die besten Voraussetzungen für einen ebenso „coolen“ Lauf. Über 5.000 Läuferinnen und Läufer warteten gespannt auf den Startschuß, während ich mich fragte, wie lange es wohl dauern würde, bis ich vorne an der eigentlichen Startlinie ankomme. Erst an diesem Punkt beginnt nämlich die Zeitmessung. Bis der letzte Laufbegeisterte das Starttor durchschritten hatte, waren am Ende mehr als drei Minuten vergangen. Die Wartezeit wird übrigens im Ergebnis als Bruttozeit separat ausgewiesen.
Losgelaufen
Mehr so im Trippelschritt ging es los, bis ich nach Beginn der Zeitmessung langsam auf ein größeres Schrittmaß umstellen konnte. Die Masse kam langsam in Bewegung. Wie im richtigen Leben konnte es manchem Teilnehmer nicht schnell genug gehen. Waghalsige Überholmanöver, die unter normalen Umständen locker den Tatbestand „grober Straßenverkehrsgefährdung“ erfüllt hätten, wechselten sich mit ebenso gefährlichen Abrupt-Stehenbleibern ab. In diesem anfänglichen Chaos seinen eigenen Laufrhythmus zu finden, war eine kleine Herausforderung. Da ich in meinen Läufen regelmäßig zu schnell starte, ordnete ich das Geschehen heute einfach als persönliche Prüfung ein. Verbunden mit der Hoffnung, die verloren geglaubten Sekunden mit den zum Ende hin gewonnenen Minuten wieder wett zu machen. Doch die Hoffnung zerstob genau so schnell, wie die Kräfte einiger Übermotivierter, die bereits bei Kilometer 1 völlig erschöpft in den Gehmodus wechselten oder am Strassenrand -von der Laterne gestützt- nach Luft rangen.
Mehr Platz
Mit der Einbiegung in die breite Kriegsstrasse wurde das Läuferfeld entsprechend lichter. Im Schatten der großen Bäume lief es sich jetzt locker und entspannt. Der Blick durch die Unterführung auf die Masse der Läufer , die sich auf der anderen Seite schon wieder aus dem Dunkel die Anhöhe hochwälzte, war beeindruckend, und ich freute mich wie in Kind, ein Teil davon zu sein. Wer ansonsten mit dem Auto durch den Tunnel rauscht, wundert sich plötzlich, wie lang diese Unterführung tatsächlich ist. Motivationsschreie, Schlachtgesänge und sonstige nicht näher zu beschreibende Rufe hallten beim Durchqueren des Abschnitts von Betonwänden und -decken zurück.
Südstadt
Bei Kilometer 3 ging es durch die Marienstrasse. Hier wurde die Strecke wieder etwas schmaler. Fast so etwas wie familiäres Flair kam auf, als ich die vielen Anwohner an ihren Fenstern und auf der Strasse sah. Die alte Dame, die mit ihrer Sauerstoffmaske aus ihrer Erdgeschoßwohung das Treiben aus ihrem Fenster beobachtete, stach mir in diesem Moment besonders ins Auge. Gerade im Kontrast zu Rassel- und Kongaklängen am Strassenrand sowie dem Aufeinandertreffen der für die Südstadt typischen kulturellen menschlichen Vielfalt mit tausenden von Läuferinnen und Läufern, die in einer schier endlosen Riesenschlange durch ihre Straße liefen. Dieser Teilabschnitt hat mir persönlich am besten gefallen.
Hauptbahnhof
Wie groß musste die innere Verzweiflung angesichts der nicht enden wollenden Läuferkette gewesen sein, dass sich Seniorinnen todesmutig mit ihrem Rollator auf die gut frequentierte Strecke stürzten. Ohne Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit oder die der Läuferinnen und Läufer schien es, als gelte es – quasi unter Protest – ein sofortiges Überquerungsrecht durchzusetzen. Auch das hätte den Tatbestand des „gefährlichen Eingriffs in den Strassenverkehr“ locker erfüllt.
Bahnhofstrasse
Mit Kilometer 5 auf der Bahnhofstrasse war die Strecke zum Ziel jetzt ab sofort kürzer als andersherum. Das gibt mir persönlich so etwas wie eine 2. Luft. An der Ecke Banhofstrasse / Beiertheimer Allee kam wieder Volksfeststimmung auf. Rhythmische Trommeln begleiteten uns um die Kurven. Von hier aus hatte man einen tollen Blick in alle Richtungen und sah überall die mäandernden Läufer, die einem jetzt entgegenkamen und deren Ende beim Blick zurück in die Bahnhofstrasse noch immer nicht auszumachen war.
Flaschenhals Beiertheimer Allee
Sofern es an der Streckenführung etwas zu kritisieren gab, dann hier. Nach der kühlen Erfrischung aus dem Feuerwehrschlauch wurde die Strasse wieder enger. Und mit den parkenden Autos war auch der Gehweg läuferisch kaum nutzbar. Kurzzeitig waren sogar wieder Trippelschrittchen angesagt. Auch der schmerzhafte Sturz eines Läufers zwischen die Autos zeigte mir, dass es hier gefährlich werden konnte. Erst am Albtalbahnhof entspannte sich die Lage wieder. Jetzt war auch das Läuferfeld insgesamt weiter auseinandergezogen, und es lagen die restlichen 2.5 km vor uns.
Schlußspurt mit Berglauf und Hitzekampf auf der Aschenbahn
Wer noch Luft für den Endpsurt hatte, konnte diese in der Günter-Klotz-Anlage für den letzten steilen Anstieg gut nutzen. Wer bis dahin keine Luft mehr hatte, konnte den fiesen Anstieg wohl nur noch gehend (oder gar nicht mehr) bewältigen. Und auch nach dem Abstieg wurde es nicht besser. Wo auf der Strecke der Schatten der Bäume und ein leichter Wind für etwas Kühlung sorgten, zeigte sich die Sonne im Carl-Kaufmann-Stadion erbarmungslos. Auch wenn es nur noch wenige hundert Meter bis ins rettende Ziel waren, holte dieser Abschmitt -gefühlt- den letzten Tropfen Wasser aus mir heraus und verdampfte augenblicklich. Dennoch: entspannt und glücklich überquerte ich die Ziellinie und zapfte mir erst einmal ein ordentliches Glas Karlsruher Wasser.
Fazit
Im kommenden Jahr bin ich mit Sicherheit wieder dabei, wenn es die 30. Auflage der „Badischen Meile“ gibt. Dann aber möchte ich etwas weiter vorne starten, um schneller meinen eigenen Rhythmus finden zu können. Und vielleicht überlegen sich die Veranstalter beim Teilabschnitt „Beiertheimer Allee“ doch, die breite Fahrstrasse zur Nutzung freizugeben. Nicht nur ich, auch der unglücklich gestürzte Läufer würde es sicherlich danken.
Zurück am Haus
Und wie kommen wir jetzt wieder in unser Haus? Kerstin hat am Telefon zwischenzeitlich eine Leiter organisiert, weil ihr einfiel, dass das Schlafzimmerfenster auf Kipp stand und man so vielleicht das neben liegende – größere Fenster- zum Einstieg öffnen könnte. Die Leiter war allerdings viel zu kurz. So gelang es uns am Ende nur mit nachbarschaftlicher Hilfe – die nebenbei auch zur Kommandatur der Freiwilligen Feuerwehr von Neudorf gehört – einer längeren Leiter, geeigneten Hilfsmitteln und heldenhaftem Einsatz, uns wieder Zutritt zu unseren Räumlichkeiten zu verschaffen. Vielen Dank für den spontanen Einsatz und die unkomplizierte Hilfe.
Fotos: © Daniel Bär